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Wesensgemäße Bienenhaltung

Die Imkerei kennt viele Betriebsweisen. Meine Betriebswiese, die wesensgemäße Bienenhaltung, orientiert sich an dem natürlichen Verhalten der Biene und stärkt durch bedachtes Handeln, Gesundheit und Vitalität den Bien. Ich verzichte auf den Einsatz von rückstandsbildenden Chemikalien und auf eine künstliche Selektion.
Wesensgemäße Bienenhaltung ist nichts Fertiges, sie ist kein Rezept oder gar eine Imkerei nach Vorschriften. Sie folgt einem undogmatischen inneren Leitbild, welches sich jeder nur selbst durch die Frage nach dem Wesen des Bienenvolkes erarbeiten kann. So bleibt wesensgemäße Bienenhaltung in Entwicklung. Ihre Grundsätze sind in verschiedenen Bienenwohnungen und Betriebsweisen realisierbar.
(aMellifera e.V.)
Als soziale Insekten bilden Bienen ein Ganzes, vergleichbar mit einem Organismus. Es geht nicht nur um die einzelne Biene, sondern immer auch um den gesamten Organismus. Ich versuche dem Wesen des „Bien“ *) gerecht zu werden. Dieses Wesen ist nicht einfach zu fassen. Der Bienenorganismus ist nicht klar im Raum begrenzt und hat eine wechselnde Gestalt. Die Sammelbienen fliegen viele Kilometer weit und dehnen so die Struktur des Volkes in die Landschaft hinein aus. Im Schwarm (der Geburt eines neuen Bienenvolkes) gibt es eine andere Form und Struktur, als später, wenn die Bienen ihr Wabenwerk gebaut haben. Im Sommer ist die Gestalt des Bienenvolkes ganz anders, als im Winter.
Der Schwarmtrieb bildet die Grundlage von Völkervermehrung und Zucht
Infolgedessen kann auf künstliche Königinnenzucht verzichtet werden
Auf großen Naturwaben entwickelt sich das Brutnest als geschlossene Einheit
Die Brutwaben werden als mobiler Naturwabenbau ohne Mittelwände gebaut
Jedes Volk hat soviel Drohnenbrut und Drohnen, wie es seinem Bedürfnis entspricht
Behandlung der Varroamilbe ausschließlich mit organischen Säuren
Das Winterfutter wird mit eigenem Honig und Kräutertees aufgewertet
Bienenwohnungen sind nur aus Holz.

Auf eine werterhaltende und natürliche Verarbeitung der Bienenerzeugnisse wie Honig, Wachs und Propolis wird geachtet. Der Honig wird weder beim Schleudern noch zum Abfüllen erwärmt, sondern vor dem Kristallisieren cremig gerührt und in Gläser abgefüllt.

Ich versuche die Bienen so zu halten, dass es ihren natürlichen Lebensbedingungen in freier Natur möglichst weitgehend entspricht. Eingriffe sollten auf das notwendige Minimum reduziert werden. Bienen können ihr Leben im Grunde vollkommen selbstständig organisieren. Sie treffen alle notwendigen Entscheidungen selbst: bauen ihr Wabenwerk, sammeln Vorräte für den Winter, vermehren sich über den Schwarmtrieb, heilen Krankheiten, verteidigen sich gegen Feinde usw. Aus diesen Beobachtungen sind Kriterien für die wesensgemäße Bienenhaltung abgeleitet worden: eine Bienenwohnung aus natürlichen Materialien wie Holz oder Stroh, ungeteiltes Brutnest aus Naturwabenbau, Vermehrung über den natürlichen Schwarmtrieb, Überwinterung der Bienen auf eigenem Honig und Varroabehandlung nur mit organischen Säuren.

Die Notwendigkeit einer ökologisch orientierten urbanen Landwirtschaft wird gerade am Beispiel der Bienen besonders deutlich. Ohne Imker und ihre Bienen stirbt die Landschaft. Eine gesunde Zukunft hat die Landschaft nur mit einem flächendeckenden Netz von Bienenvölkern. Diese Forderung gilt auch für den städtischen Raum. Hier finden die Bienen oft mehr Blüten als auf intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen. Urbane Landwirtschaft erzeugt gesunde Lebensmittel in der unmittelbaren Wohnumgebung, – der hier produzierte Honig gehört unbedingt dazu.
Auch als Imker kann man ohne problematische Hilfsstoffe, schädliche Medikamente und künstliche Zuchtmethoden arbeiten und dabei die Welt vom Kleinen ausgehend verbessern. Wesensgemäße Bienenhaltung achtet das ganze Bienenvolk als ein Lebewesen, pflegt und fördert es. Die Rückbesinnung auf alte imkerliche Weisheiten steht dabei im Einklang mit den Erkenntnissen moderner Biologie. Meine Arbeitsweise wird den Anforderungen ökologischer Tierhaltung gerecht und orientieren sich an den Demeter-Richtlinien.
*) Umgangssprachlich und traditionel wird der Begriff „Bienenvolk“ verwendet. Das ist sehr mißverständlich und kommt aus einer Zeit in der das Leben der Bienen als Vorbild für eine völkische Denkweise mißbraucht wurde. Die Menschen sollten so fleißig, ordentlich, strebsam und gehorsam wie die Bienen sein. Wohin das führt ist bekannt. Ich verwende daher den alten Begriff des „Biens“ oder bezeichne den „Superorganismus“ (Tautz) in Anlehnung an Anglezismen als „Kolonie“.